Stefanitag
2020
Der
Sturm hatte einen komplett mit Efeu bewachsene Ast abgebrochen und irgendwie
gefiel er mir. Zum entsorgen war er mir zu schade, also hab ich ihm mit kleiner
Verspätung ein weihnachtliches Kleid verpasst! Nach vielen Jahren hab ich wieder
die verstauten Kartons mit dem altem
Weihnachtsschmuck geöffnet. Na und damit kamen wieder viele, viele
Erinnerungen! Ungefähr 60-80 Jahre alter Glasschmuck, zum Teil wahrscheinlich
noch älter, wie auch das selbstgemachte Jesuskind das kurz unter der
Christbaumspitze aus Glas befestigt wurde, sehr viele schon verwendete Kerzen,
aber auch noch welche in der original Schachtel. Lametta auch zum Teil noch in
der Verpackung. Wobei das letztere nicht ganz so alt war, weil mein
Vater bevorzugte
Engelhaar aus gesponnenen Glas. Zuckerl-Papier (Wickelpapier) aus farbigem
Seidenpapier mit Fransen noch in der Banderole. Falls es schon Schokolade gab,
wurden die Stücke zuerst in Staniolpapier „verpackt“. Im Krieg
(2.Weltkrieg) und kurz danach gab es noch keine Schokolade. Stattdessen wurde
Zucker auf dem Backblech zu Karamell geschmolzen und in Stücke geschnitten
(gehackt). Meines Wissens gab es aber zum Teil noch/schon die
„Hellerzuckerln“. Auch einige „Sternspucker“ fand ich
noch, aber bestimmt schon mit lange überschrittenem Ablaufdatum! Sie
wehrten sich gegen das Anzünden! :-)
Wir wohnten in der Wiener Josefstadt im zweiten Stock eines Dreistockhauses mit Innenhof. Außenhalb
des Gangfensters hatte mein Vater einen Mauerhaken eingeschlagen und daran
konnte das Christkind schon ein paar Tage vor dem Heiligen Abend den Baum aufhängen.
Da war es kühl und der kleine Helmut konnte ihn nicht sehen. Das Schmücken des Baumes war meinem Vater als Familienoberhaupt vorbehalten und
dieses schon als Familientradition überlieferte Privileg hätte er sich nicht
nehmen lassen! Ausgenommen natürlich die Zeit, wo die Männer noch im Krieg
oder in Gefangenschaft waren. Als ich schon ein bisschen älter war, durfte/musste ich beim
Zuckerl-Wickeln mithelfen.
Mein Vater war ein sehr genauer Mensch und bei einem ca. 3`5 Meter hohen Baum
mit vielen brennenden Kerzen war das
bestimmt ein Vorteil!
Vielleicht bin ich eine Christbaum-Banause, aber als ich später selber
"Chefschmücker" war, verwendete ich sicherheitshalber fast nur elektrische
Kerzen und seit ich in einem Haus mit einem kleinen Wald wohne, lass ich die Bäume
dort wo sie sind und begnüge mich mit zwei Adventkränzen und zwei
Weihnachtskrippen. Meinen eigenen selbst gemachten Adventkranz und den meiner
Mutter und mit den Krippen war es ebenso. Die selbstgebaute meines Vaters und
auch meine eigene, die ich zerlegbar gemacht hatte.
Kochen
und Backen war “Mamasache“. Das typische Wiener Essen am Heiligen Abend:
Fischbeuschel-Suppe mit gerösteten Brotschnitten, gebackener Karpfen mit
Kartoffelsalat. Und es mussten unbedingt „Kipfler“ sein! Offenes Gösser
Bier, das ich im Krug vom „Goldenen Hirschen“ in der
Skodagasse geholt hab. (Den Krug gibt es noch, den Goldenen Hirschen
nicht mehr). Schon Tagelang vor dem Heiligen Abend kamen Weihnachtslieder aus
dem Radio und aus der Küche der Duft von den gebackenen Keksen. Ich rieche sie
fast noch heute.
Gefeiert hatte die „Großfamilie“ immer bei uns. Außer uns meine Oma, Mamas
Mutter und 2x Onkel + Tante von Papas Seite. Alle Kinderlos. Ich war der einzige
Sprössling.
Halb aus Spaß, aber auch ein wenig zum Gedenken, hab ich diesen "Efeuast" mit einem Teil des bruchsicheren Schmuckes behängt. Schaut lustig aber auch hübsch aus! Dann hab ich auch noch 10 Stück von den gebrauchten Kerzen in die Halter gesteckt, auf ein dünnes Brett geklemmt und angezündet. Der Geruch nach dem ausblasen, das war genau der, an den ich mich nach so langer Zeit noch gut erinnern konnte! Jedenfalls wird mir dieser Stefanitag 2020 auch wegen der Fotos in Erinnerung bleiben!
WEITERE GEDICHTE
[Altzheimer]
[Ballade Liese]
[blauer Montag]
[bunt gemischt]
[Fragen]
[fremde Mode]
[Hausreime]
[Kindersorgen]
[Wahlkampagne]
[Wehmut]
[Manege]
[Fluss]
[Versuchung]
[gute Wünsche]
WEITERE GESCHICHTEN
[meine Jugend] [Alter]
[Computer] [Marktfrau]
[Morgenkaffee]
[Pilzkönig] [der
Weihnachtskarpfen]
[das letzte Blatt]
[Brief an das
Christkind] [unser
Polo] [Angsthase]
[meine Mutter]
[Waschstockerl]